Die folgenden Zitate sind dem Roman Rulaman von David Friedrich Weinland (1829 - 1915) entnommen. Parallelen zu dem Gemeinschaftsprojekt

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sind beabsichtigt.


In der Tulkahöhle

Der Eingang zur Tulkahöhle lag am Nordwestabhang eines steilen Berges, nahe dessen Gipfel, unter einem überhängenden Fels. Da war zunächst eine kleine Vorhalle. Dann versperrte ein mächtiges Felsstück den Weg nach innen und zwar so, daß rechts und links ein schmaler Pfad offen blieb, weit und hoch genug, daß ein Mann durchschlüpfen konnte. Hinter dem Felsblock stieg man einige Stufen hinunter, der Gang wurde enger und enger und dabei höher. ER wandte sich rechts, dann wieder links, und erst nach etwa hundert Schritten verbreiterte er sich auf einmal wie zu einer großen Halle. Hier war es schon ganz finster, und hier war die eigentliche Niederlassung der Bewohner, wo sie besonders vor allen Unbilden der Witterung geschützt waren. Der Boden war ziemlich eben, trocken und von der Natur mit Tropfstein gepflastert. An den Wänden hin sah man breitere und schmälere Vorsprünge, oft in langer Ausdehnung wie Galerien, dann wieder kleine und gro▀e Spalten und nischenartige Vertiefungen. Einzelne herabgestürzte Felsblöcke konnten als Tische, andere, kleinere als Bänke dienen. Sie waren vielleicht absichtlich hierher gewälzt worden, langsam und mit Mühe, aber man hatte Zeit damals. Die Temperatur blieb sich winters und sommers ziemlich gleich, etwa wie in unseren Kellern; der Heizung bedurfte das abgehärtete Volk nicht. So war dieser von der Natur selbst ausgestattete Raum für die Begriffe unserer Aimats eine nicht nur erträgliche, sondern höchst wünschenswerte Behausung. Die Decke der wenigstens dreißig Fu▀ hohen Halle war mit großen, phantastischen Tropfsteingebilden verziert, aus denen die kindliche Einbildungskraft eines Naturvolkes sich die wunderbarsten Gestalten zusammensetzen konnte. Überdies war der geräumige Felsensaal durch kurze, vorspringende Felswände gleichsam in verschiedene Räume geteilt, so recht geeignet fⁿr die einzelnen Familien des Stammes. Von diesem großen, weiten Raume aus setzte sich die Höhle, wieder zu einem Gang verengt, immer nach Südost fort. Nach etwa hundert Schritten bog man links um eine Ecke in eine zweite, aber kleinere Grotte, die den Eindruck eines Beinhauses machte. Hier lagen auf der einen Seite eine Menge Rentiergeweihe bunt durcheinander, viele noch mit dem Schädel daran, sodann lange Röhrenknochen von Rentieren und Pferden, Köpfe von Höhlenbären, einzelne Kinnbakken, auch ein schöner, mehr als mannslanger Mammutzahn, kurz ein wahres Knochenmagazin.


Der Felsspalt aber war der Eingang einer Höhle.
Ein schmaler Gang führt mich bequem nach innen,
Dann steil abwärts nur eine kurze Strecke,
Da trat ich ein wenig Licht vom Eingang her
Und als das Auge mählich sich gewöhnt,
Konnt' durch das düstre Dunkel es nothdürftig dringen
Dumpf tönt mein Tritt; die Luft ist kalt und feucht
Und Moder trifft betäubend meine Sinne.
Im sand'gem Lehm des Bodenssteckt Gebein,
Von Alter gelb und brüchig unter'm Fußtritt.
War in ein Grabgewölbe ich gestiegen?
Auf einen Felsblock setzt' ich mⁿd mich nieder;
Zwei große Fledermäuse, die ich aufgescheucht,
Umflatterten das Haupt mir, leise schwirrend;
Sie streifen mir das Haar. - War's Zauber, der mich traf?
Träumt' ich mit off'nen Augen? Saß nicht dort
Auf nied'rem Stein im Hintergrund der Höhle
Ein uralt Weib, den Kopf herabgeneigt,
Gestützt das Kinn auf runzlig mag're Hände,
Die fahle Stirn' von wei▀em Haar umschleiert?
War's Stein? War's Fleisch und Blut? Sah ich denn nicht
Das Haupt jetzt nicken und die Haarewehen?
Ich trat hinzu. Wer bist Du? Frag ich. -"Parre"
Antwortet tief aufseufzend mir die Alte.
Und recht als ob mein Fragen ihr die Zunge
Endlich gelöst, begann sie lange, lange
In fremden, rauhen Tönen mir zu reden.
Ich lausch und horch. Sie deutet auf die Knochen.
Auf Scherben, sonderbar geformte Steine,
Die da und dort den Moderboden deckten,
Auf einen breiten Block dann, hart am Felsen;
Das schien ein Grabstein, regellos gehauen;
Dann auf zum Eingang. - Gar verschieden mußte
Der Inhalt ihrer Worte sein, bald Freud, bald Trauer,
Bald Fried, bald Kampf. - Doch wer kenn diese Sprache?
Mit einem grellen Aufschrei schloß die Alte
Und brach erschöpft, in sich geknickt zusammen.
Doch plöztlich hebt das müde Haupt die wieder
Und funkelnd starren mich die Augen an,
Als fragte sie, ob ich sie auch verstanden?
Ich schüttelte den Kopf. Sie scheufzte schwer.
Voll Mitleid griff ich ihre Hand. Hu! Sie war kalt,
Eiskalt. Doch warm und dankbar blickt' ich forschend um mich,
Wo ich hinauf, hinab mir einen Weg erspähe.
Da hⁿpft ein flüchtig Reh zu meiner Linken
Und zeigte mir am Fels hin seinen Wechsel,
Auf dem ich bald, durch eng Gebüsche schlüpfend,
An steiler Halde einen Pürschweg traf,
Mir wohl bekannt. Ich eilt nach Haus zum warmen Herd.
Doch weg war fortan meine Ruh. Die Bergesalte
Hatt'es mir angethan. - Am andern Mittag
Schlich ich auf dem vom Reh gebahnten Pfade
Zu meiner Parre wieder in die Höhle.
Sie winkt mir freundlich zu. Doch was war das?
Ein schöner Jüngling stand an ihrer Seite,
Mit bogen, Pfeil und Streitaxt wohl bewehrt.
Ein glänzend weißes Tierfell deckt die Schultern.
Das Antlitz fahl; die langen Locken schwarz
Und leuchtend schwarz die Augen. Freundlich blickend
Bot er mir seine Hand. Auch sie war kalt.
Wer bist Du? Frag ich. "Rulaman" versetzt'er
Und er begann, mir zu erzählen, wie die Alte
Mir gestern tat, so wichtig, so eindringlich ernst. -
Ach! Ich versteh Euch nicht, so rief ich trostlos
Doch nicht verzagte drob der brave Jüngling;
Er zeigte mir die Waffen, die er trug,
Aus Feuerstein die Streitaxt, scharf geschlagen,
Aus zugeschärften Knochen die Pfeilspitzen,
Aus wei▀em Wolfspelz seinen zott'gen Mantel.
Dann von dem Halse nahm er eine Kette
Von glänzend wei▀en Zähnen, schön gereiht,
Darunter einen mächt'gen Zahn vom Löwen,
Wie er nicht ziert den Löwen unsrer Tage.
Die Kette bot er mir gar huldvoll an
Und hing sie selbst mir um als Angedenken.
Und endlich, endlich ward der Dinn mir kund
Der Worte meiner guten Höhlenmenschen.
So wandert ich fortan gar oft zu ihnen
Und hörte viel von ihrem frohen Leben
In alter, alter Zeit dort in der Tulkahöhle,
Und von dem tapfern Rul und seinen Taten
Und von des Kalatvolkes Einbruch in die Lande
Und von dem Völkermorde des Druiden
Und von dem Ende der wildedlen Aimats
Und von dem grausen Tod der alten Parre
Und von dem Glück des braven Rulaman.
Nun, wer von Euch, Ihr Freunde, mit mir fühlt
Fⁿr einfach kindliche Natur des Wilden,
Und für des dunkeln Waldes heimlich Leben
Und für die kühne Jagd des Steinbeilmannes
Auf riesig Wild, von dessen Brüllen einst
Der Urwald unsrer Rauhen Alb erdröhnte,
Und für das Schicksal jener, die vor uns
Auf diesen schönen Felsenbergen hausten, -
Und wem bei fremdem Weh das Aug noch feuchtet
Und wem bei fremdem Glück das Herz noch lacht,
Ob manch Jahrtausend drüber hingegangen, -
Der höre, was die Alte und der Jüngling
Dort oben in der Staffa mir verkündet. -





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